Tageslauf

Wie sieht ein „rhythmisch geordneter Tageslauf" aus und was kann er bewirken?
Eine gute Stunde hat im Raum das Prinzip „schöpferisches Chaos" gewaltet: Die Bauklötze beispielsweise haben auf ihrer Reise durch den Raum Verwandlungen durchgemacht. Als Schifffracht wurden sie allesamt über das „Meer"   geschoben, unter Tischen hindurch in eine andere Ecke des Raumes. Dort entstanden Türme, eine ganze Stadt. Eine Weile lagen sie verlassen, dann wurden sie wieder gebraucht für ein Lagerfeuer, an dem Würstchen gegrillt wurden. Eifrige Kinder, rote Wangen, muntere Bewegung, Auf-und Abwogen der Stimmen.
So langsam ebbt das Spiel ab, einige Kinder wirken müde, ein Dreijähriger bringt es auf den Punkt: „Ich hab Hunger, wann essen wir?". Erst jetzt fällt auf, dass nichts mehr an seinem Platz ist, wie soll man sich in diesem Durcheinander zurecht finden?! Einige lassen sich erschöpft auf Stühle plumpsen, andere drehen auf, spielen z.B. Fangen um die Tische. Das macht die Aufgabe nicht gerade leichter. Denn jetzt beginnt die „Aufräumzeit".
Was nun wirklich weiterhilft ist ein guter Überblick, ein klares Aufräumsystem, fröhliches Anpacken und freundliches, aber energisches Durchsetzen von Seiten des Erwachsenen: „... wer müde ist, darf sich setzen; wer noch Kraft hat, hilft bitte mit!" („Zwischen den Zeilen": Wer herumrennt und behauptet, er sei zu müde zum Helfen, macht sich unglaubwürdig!) Nun entsteht eine neue Stimmung: eine schaffige, aber geordnete Atmosphäre, ähnlich wie in einem Ameisenhaufen. Ein Riesendurcheinander aufräumen zu müssen, ist für die Kinder eine Überforderung. Klare, überschaubare Anweisungen dagegen können bewältigt werden. Jedes Ding kommt an seinen Platz zurück: erst Tische, dann Stühle, dann Klötze und Tücher. Das Schönste zum Schluss: Schneckenbänder rollen, Kaufladensachen sortieren, Tücher falten - jeweils mit dem dazu gehörigen Lied. Spätestens jetzt helfen auch die „Müden". Im Laufe des Jahres wird das so zur Gewohnheit, dass ich beinahe nichts mehr sagen muss. Mein Vorbild und die Lieder reichen aus.
Danach: Tischdecken, Händewaschen, Frühstück, Stuhlkreis. Nach dem „schöpferischen Chaos" überwiegt jetzt das gegenteilige Prinzip, etwa „Ruhe und Ordnung":
Die Kinder atmen ruhig, entspannt, gleichmäßig. Manche träumen vor sich hin während des gemeinsamen Frühstücks. Sie genießen die Augenblicke der Stille und sind offen für die einfachen Finger-, Handgesten- und Reigenspiele des Stuhlkreises. Die Aufräumzeit war der Übergang von einem ins andere Prinzip. Und nach der Ruhezeit tummeln sich die Kinder im Garten, voller Bewegungsfreude und voller Lust am eigenen Gestalten im Sand: zweite Freispielzeit.
Bewegung - Ruhe, Wachen - Träumen (Schlafen), Selbersprechen - Zuhören, Zugehen auf die Welt - sich geborgen fühlen beim vertrauten Erwachsenen, Ausatmen - Einatmen sind einige der Gegenpole (Motive), zwischen denen wir hin- und herschwingen. Die Kunst ist, den Rhythmus jeden Tag und für jedes Kind so zu greifen, dass ein Pendeln zwischen den Polaritäten entsteht, gerade im richtigen Maß. Ob man als Erzieherin das richtige Maß getroffen hat, kann man an den Kindern ablesen: Sie fühlen sich dann wohl und strahlen Zufriedenheit aus, halten den Tag gut durch und sind mittags bzw. abends rechtschaffen müde.